Interview E-Mobilität

Laurent Gresset, Senior Produktmanager: „Millionen Ladestationen mit erneuerbarer Energie zu versorgen, ist eine lösbare Herausforderung. Dazu braucht es vor allem eines: intelligente Messtechnik.“

Die Klimakatastrophe beschleunigt den Wandel zur Klimaneutralität. Saubere Technologien wie Erneuerbare Energien, Wärmepumpen oder Elektroautos gehören heute schon zum Alltag. Doch bislang hat selbst der Vorreiter Deutschland nur ein Fünftel des Weges hin zu einer Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien in allen Sektoren Strom, Wärme, Mobilität sowie Industrie geschafft.
Smart Metering für die Elektromobilität

Für die nächsten Schritte werden genau jene Technologien gebraucht, die inexogy entwickelt: Intelligente Messtechnik ist sozusagen die verborgene Voraussetzung, um all die neuen Technologien miteinander zu vernetzen und so zu steuern, dass es nicht zu Stromausfällen oder Komfortverzicht kommt. Wie das funktionieren kann, berichtet Laurent Gresset, Senior-Produktmanager bei inexogy.

Elektroautos boomen, brauchen aber auch zusätzlichen Strom – gehen in Deutschland also bald die Lichter aus?

Laurent: Nein, davon ist nicht auszugehen. Untersuchungen von Netzbetreibern zeigen, dass sogar die heutigen Netze mehrere Millionen Elektroautos verkraften würden. Die fallen aber nicht über Nacht vom Himmel. Mittlerweile geht die Bundesregierung von 14 Millionen Elektrofahrzeugen im Jahr 2030 auf deutschen Straßen aus. Hinzu kommen mehrere Millionen Wallboxen für heimische Garagen oder Carports sowie viele öffentliche Ladestationen. Die alle punktgenau mit erneuerbaren Energien zu versorgen, ist eine Herausforderung, aber lösbar. Dazu braucht es vor allem eines: intelligente Messtechnik.

Messtechnik, die inexogy entwickelt bzw. schon zehntausendfach einsetzt. Welche Rolle spielen Smart Meter schon heute?

Laurent: Smart Meter bzw. die integrierten Smart Meter Gateways ermöglichen die Steuerung von Wallboxen, Ladesäulen oder Wärmepumpen. Sie sind maßgeblich für die Abrechnung der Strommengen innerhalb des Marktes im Hintergrund. Durch die Möglichkeit zur Steuerung kommt mehr Flexibilität in die Netze, so wird die Netzstabilität gesichert, also Stromnachfrage und -angebot in Einklang gebracht.

Ein konkretes Beispiel: 2019 wurden laut Bundesnetzagentur 6.000 Gigawattstunden Strom aus erneuerbare Energien abgeregelt, das heißt wegen Netzauslastung nicht produziert. Damit könnten vier Millionen Elektroautos 10.000 Kilometer pro Jahr fahren. Es braucht also die geschickte Verteilung verfügbarer Energie. Schon heute zeigt sich das in ganz unterschiedlichen Konzepten, die auf Basis der intelligenten Messtechnik möglich sind …

… sind damit unter anderem variable Stromtarife gemeint?

Laurent: Ja, unser Partner, der unabhängige Energieanbieter aWATTar bietet einen solchen variablen Stromtarif, der an die Preissignale der Strombörse EEX gekoppelt ist. Immer einen Tag im Voraus erhalten die Stromkunden die Information, wann am Folgetag der Arbeitspreis des Stroms besonders günstig ist. Darauf basierend lohnt es sich, sein Elektroauto genau dann aufzuladen, wenn der Preis niedrig ist – oder die Wäsche dann zu waschen, wenn es sogar negative Strompreise gibt.

Aber das manuelle Steuern einzelner Verbraucher durch spezielle Ladelösungen ist nur der Anfang. So gibt es bereits Wallboxen, die damit verbunden werden können, und noch viel gezielter den erzeugten Sonnenstrom nutzen, um etwa das Elektroauto günstiger aufzuladen. Wenn ich am Elektroauto oder der Wallbox oder in einer App einstelle, dass mein Auto am kommenden Morgen um 8 Uhr zu 80 Prozent geladen sein muss, ist es mir egal, ob das mit voller Leistung bei 11 Kilowatt geladen wird oder verteilt über die ganze Nacht mit 2,7 Kilowatt. Für das Netz macht das aber unter Umständen einen großen Unterschied, um beispielsweise Energieverschwendung zu minimieren.

Die CO2-Emissionen des aktuellen Strommixes variieren noch sehr stark, insbesondere abhängig vom Anteil der Kohle. Gibt es hierfür auch Lösungen?

Laurent: Ja, das junge Unternehmen Corrently setzt Anreize, exakt auf den Strommix beziehungsweise die regionale Situation im Stromnetz zu reagieren. Es ist sozusagen der Tarif mit eingebautem Klimaschutz.

Für die Energiewende ist es essentiell Lasten zu verschieben. Welche Rolle spielen dabei virtuelle Kraftwerke?

Laurent: Smart Meter helfen dabei, virtuelle Kraftwerke möglich zu machen. Das Cleantech-Unternehmen Sonnen beispielsweise schließt bereits Stromspeicher aus dem eigenen Kundenkreis zu virtuellen Kraftwerken zusammen, um die Energie intelligent zu verteilen. Als Basis dafür brauchen sie intelligente Messsysteme von inexogy, um alle Prozesse abrechnen zu können. Aber das ist erst der Anfang…

… weil künftig auch Elektroautos mit deren Akkus hinzukommen?

Laurent: Ja, genau. Sono Motors, Tesla oder Volkswagen arbeiten auf das Vehicle-2-Grid-Konzept bereits sehr stark hin. Man muss das richtig einordnen: Zuhause haben die Besitzer einer Photovoltaikanlage vielleicht einen Batteriespeicher mit 5 bis 7 Kilowattstunden Kapazität – aber das E-Auto hat die zehnfache Kapazität.

Dieses Potenzial müssen wir heben, um die Energiewende zu schaffen: Entweder dadurch, dass E-Autos dann ans Stromnetz angeschlossen sind, wenn sie etwa auf dem Parkplatz des Arbeitgebers herumstehen. Oder dadurch, dass sie Flottenbetreibern gehören und quasi rund um die Uhr unterwegs sind – dann kann ein Elektroauto mehrere Verbrenner ersetzen, und wir schonen Ressourcen.

Anreize hierfür schaffen auch Tarife wie der von Tibber, oder?

Laurent: Der digitale Stromanbieter Tibber vereinfacht und automatisiert das netzdienliche Laden durch seine Tarife und Apps. Dazu kommt der Strom von Tibber immer aus erneuerbaren Energien – für Energiewende und Klimaschutz natürlich ganz entscheidend. Wenn wir es schaffen, durch Angebote wie die Tibber-Tarife die Energie intelligent zu verteilen, brauchen wir für viele Elektroautos nicht mal zusätzlichen Strom aus Erneuerbaren Energien, sondern können Überschüsse nutzen, die vielleicht durch Engpässe im Netz andernfalls nicht dort ankommen würden.

Werden auch Netzbetreiber beispielsweise die Leistung von Wallboxen drosseln müssen?

Laurent: Ja, wir brauchen hier standardisierte Lösungen. Wenn Verbraucher Preissignale erhalten, wenn es Netzengpässe gibt, hilft das bis zu einem gewissen Grad, um diese zu beseitigen. Falls es aber zu großen, unvorhergesehenen Schwankungen kommt, müssen die Netzbetreiber gezielter reagieren können. Das heißt, große Verbraucher werden in der Regel eigene Verträge mit Netzbetreibern haben, und zum Beispiel einfach für die Bereitschaft, in der Notlage weniger Energie zu beziehen, niedrigere Netzentgelte zahlen. Das ist heute bei Nachtspeicheröfen oder Wärmepumpen teilweise schon so. Aus meiner Sicht wird es daher eine Koexistenz beider Systeme geben.

Werfen wir noch einen Blick in die Zukunft: Welcher große Schritt kann hier noch folgen?

Laurent: Ich denke, dass Miet- und Leasing-Modelle kommen werden, die das Einbinden etwa eines Stromspeichers oder einer E-Auto-Batterie noch zusätzlich erleichtern. Gehört die Batterie meines Elektroautos dem Netzbetreiber, ist es mir gleichgültig, wie oft sie zum kurzzeitigen Ausgleich von Netzschwankungen geladen oder entladen wird. Die Kosten der Degradation, also des Wertverlustes, würde hier dann beispielsweise der Netzbetreiber tragen.

Laurent, vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch!

Autor: Pablo Santiago

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